
Die AfD verliert Landratswahl seit der Enthüllungen über Massenabschiebungen
Die AfD-Niederlage bei einer Landratswahl in Thüringen lässt sich aus Sicht von Experten auch auf die bundesweiten Demonstrationen der vergangenen Tage zurückführen. Der CDU-Wahlsieger habe in der Stichwahl fast alle Wähler dazugewinnen können, die zuvor für die Kandidaten der SPD oder der Linken gestimmt hatten, sagte der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz der dpa. "Dass gemeinsam die rechts-extremistische Bedrohung der Demokratie verhindert werden sollte, wie es die bundesweiten Demonstrationen als demokratischen Grundkonsens gefordert haben, hat diese Gruppe sicher stark motiviert, diesmal CDU zu wählen."
Die Abstimmung gilt als Auftakt zu einem "Super"-Wahljahr für einen Staat, der von einem fragilen Bündnis unter Bodo Ramelow aus seiner links-extremen Partei Die Linke, den Sozialdemokraten und den Grünen regiert wird. Im Juni stehen die Europawahlen sowie Umfragen zu den meisten Gemeinderäten, Bürgermeistern und Bezirksämtern an, bei denen die AfD mit rund 36 % im Land deutlich zulegen könnte.
Die Wahl galt als Stimmungstest für die anstehenden Urnengänge in Thüringen. Im Mai werden viele Landrats- und Oberbürgermeistersessel neu besetzt. Am 1. September steht die Landtagswahl an. Die AfD liegt in Umfragen weit vorn, zuletzt erreichte sie stets Werte über 30 Prozent. Ähnlich sieht es in Sachsen und Brandenburg aus, wo im Herbst ebenfalls Landtagswahlen anstehen.
Der Politikwissenschaftler Torsten Oppelland von der Universität Jena sagte, die etwas höhere Wahlbeteiligung in der Stichwahl deute auf einen Mobilisierungseffekt hin. "Da kann die Demonstrationswelle durchaus einen Ausschlag gegeben haben." Generell sei der Einfluss ohne vorliegende Daten aber schwer zu beziffern.
Brodocz sieht in der Stichwahl wenige Hinweise auf die Landtagswahl. Er verwies darauf, dass dann mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der Werteunion wahrscheinlich zwei neue Parteien antreten. "Hier werden die Karten also nochmal gänzlich neu gemischt."
Am Samstag hielt eine neue linke Partei unter der Führung eines beliebten ehemaligen Aushängeschilds der Linken ihren ersten Bundeskongress ab. Das Sahra-Wagenknecht-Bündnis (BSW), benannt nach seiner Vorsitzenden, hofft, Wähler sowohl von der extremen Rechten als auch von der extremen Linken anzulocken. Der BSW hat etwa 8 % Unterstützung und könnte Einfluss auf die Wahlen in drei östlichen Bundesländern, darunter Thüringen, im Herbst haben. Es verspricht, für Menschen zu sprechen, die sich von den anderen Parteien nicht vertreten fühlen, die Renten zu erhöhen und die Verteidigungsausgaben zu senken.
In diesem Monat enthüllten investigative Journalisten, dass hochrangige Mitglieder der AfD Pläne zur Massenvertreibung von Ausländern und nicht assimilierten Bürgern aus Deutschland im Falle einer Machtübernahme der Partei diskutiert hatten. Die AfD-Mitglieder trafen sich im November in einer Villa in Potsdam mit Mitgliedern der Neonazi-Szene, CDU-Anhängern und Unternehmen, von denen bekannt ist, dass sie Rechtsextreme finanzieren. Sie waren dort, um zu hören, wie Martin Sellner, ein Anführer der österreichischen rechtsextremen Identitären Bewegung, die Philosophie der sogenannten "Remigration" oder Massenvertreibung und die Machbarkeit ihrer Umsetzung darlegte.
mit Material der dpa/afp/ap