
Britische Parlamentswahl: Historischer Sieg für Starmer und Labour
Nach Auszählung fast aller Stimmen erzielte die Labour-Partei mindestens 412 von 650 Sitzen im Unterhaus, was einem Erdrutschsieg gleichkommt. Dieses Ergebnis kommt nahe an den historischen Rekord von 1997 heran, als Labour unter Tony Blair 418 Mandate gewann. Der Sieg von Labour bedeutet eine massive Verschiebung im politischen Gefüge des Vereinigten Königreichs, da die Konservativen ihre Mehrheit verloren und nur noch 120 Sitze erreichten.
Der bisherige Premierminister und Vorsitzende der Konservativen, Rishi Sunak, übernahm die Verantwortung für das desaströse Abschneiden seiner Partei. "Ich habe Ihre Wut und Ihre Enttäuschung vernommen und ich übernehme die Verantwortung für diese Niederlage", sagte Sunak in einer Rede. Er kündigte an, als Parteichef zurückzutreten, sobald die Nachfolgeregelungen geklärt seien. Sunak entschuldigte sich bei den Wählern und gab zu, dass die Unzufriedenheit über seine Vorgänger Liz Truss und Boris Johnson maßgeblich zur Niederlage beigetragen habe.
Die Niederlage der Tories ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Die kurze Amtszeit von Liz Truss, die nach nur 49 Tagen zurücktrat, nachdem ihre Politik Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatte, und die verschiedenen Skandale unter Boris Johnson trugen wesentlich zur negativen Wahrnehmung der Partei bei. Der Politikwissenschaftler John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow erklärte, dass diese Unzufriedenheit einen erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis hatte.
Die Konservativen stehen nun vor einem Richtungsstreit und möglichen weiteren Rechtsruck. Mehrere potenzielle Nachfolger Sunaks haben ihren Sitz verloren, darunter Verteidigungsminister Grant Shapps und die bisherige Ministerin für Parlamentsfragen, Penny Mordaunt. Handelsministerin Kemi Badenoch und die frühere Innenministerin Suella Braverman gelten als aussichtsreiche Kandidaten für die Parteiführung. Moderatere Kandidaten wie der bisherige Innenminister James Cleverly und Staatssekretär Tom Tugendhat werden ebenfalls in Betracht gezogen.
Keir Starmer, der neue Premierminister, kündigte in seiner Siegesrede eine "nationale Erneuerung" an. Er betonte, dass der Wechsel nicht über Nacht erfolgen könne und dass der künftigen Labour-Regierung "harte Arbeit" bevorstehe. Starmer versprach, das Land wieder aufzubauen und betonte die Notwendigkeit von Seriosität und langfristigem Wirtschaftswachstum.
Gemäß dem strengen royalen Protokoll wird der Wahlverlierer Sunak zuerst zu einer Abschiedsaudienz bei König Charles im Buckingham Palast eingeladen. Dort verliert er seine Amtsprivilegien und muss die Abreise in einem Privatwagen selbst organisieren. Danach wird Keir Starmer vom König offiziell gebeten, eine Regierung zu bilden. Dieser Moment, bekannt als "kissing of hands", markiert den offiziellen Beginn von Starmers Amtszeit als Premierminister.
Die Wahl brachte auch bedeutende Veränderungen bei anderen Parteien. Die Liberaldemokraten gewannen 71 Sitze, das beste Ergebnis in ihrer Geschichte. Die Schottische Nationalpartei (SNP) erlitt Verluste und kam nur auf acht Sitze. Nigel Farages Partei Reform UK erzielte vier Mandate, ebenso wie die Grünen.
Jeremy Corbyn, der ehemalige Vorsitzende der Labour-Partei, zog erneut ins Unterhaus ein. Er war als unabhängiger Kandidat angetreten, nachdem Labour ihn wegen Antisemitismus-Vorwürfen aus der Partei ausgeschlossen hatte. Corbyn hatte Labour 2019 in die schlimmste Wahlniederlage seit Jahrzehnten geführt und saß seit 2020 als Parteiloser im Parlament.
Nach 14 Jahren konservativer Regierung und mehreren Premierministern endet nun eine Ära. Keir Starmer und seine Labour-Partei stehen vor der Herausforderung, das Land zu erneuern und in eine neue Richtung zu führen. Der Wahlsieg von Labour stellt einen bedeutenden Wendepunkt dar und gibt Hoffnung auf einen neuen politischen Kurs im Vereinigten Königreich. Die Europäische Union und andere internationale Partner haben bereits ihre Glückwünsche übermittelt und freuen sich auf die zukünftige Zusammenarbeit mit der neuen britischen Regierung.