
Kommunalwahlen in England: Sunak steuert auf eine verheerenden Niederlage zu
Nach Auszählung von rund einem Drittel der Kommunen droht der Partei nach Einschätzung des Wahlforschers John Curtice eines ihrer schlechtesten Ergebnisse seit 40 Jahren. "Bislang verlieren sie im Grunde die Hälfte der Sitze, die sie zu verteidigen versuchen", sagte der Professor von der Glasgower University of Strathclyde der BBC. Wenn das so weitergehe, könnten sie am Ende etwa 500 Sitze verlieren.
Die bisherigen Ergebnisse waren für Sunak katastrophal. Nach Auszählung fast aller Stimmen verloren die Tories etwa die Hälfte der Sitze, die sie zu verteidigen hatten. Bittere Niederlagen gab es in Hochburgen wie Gloucester im Südwesten, wo die Konservativen 20 Jahre lang regiert hatten, oder Thurrock östlich von London. Der Premierminister zeigte sich enttäuscht. Die Oppositionspartei Labour sieht sich in ihrem Erfolgskurs bestätigt. Parteichef Keir Starmer forderte Sunak auf, endlich ein Datum für die Parlamentswahl zu nennen. Bisher hat der Premier nur einen Termin im zweiten Halbjahr angedeutet.
"Die Tories haben ihr Regierungsmandat verloren, und die Wähler werden ihnen wohl kaum noch Anerkennung für Verbesserungen in den Bereichen zollen, die die größten Sorgen bereiten - Wirtschaft und Migration", sagte der Politikwissenschaftler Mark Garnett der Deutschen Presse-Agentur. Spannend dürfte nun werden, ob es parteiintern eine größere Revolte gegen Sunak gibt - "in der Hoffnung, dass ein neues Gesicht den Wählern helfen könnte, die letzten 14 Jahre zu vergessen", sagte der Experte von der Universität Lancaster. Die Tories regieren seit 2010.
Kommentatoren betonten, Kommunalwahlen seien nicht vergleichbar mit Parlamentswahlen. Aber auch eine nationale Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov sieht Sunaks Konservative im freien Fall: nur noch 18 Prozent, Labour kommt demnach auf 44 Prozent. Für Labour-Chef Keir Starmer Beleg für einen Stimmungswechsel. "Wir haben 14 Jahre des Scheiterns und des Niedergangs erlebt, und die Tories haben uns nur Chaos und Spaltung hinterlassen."
Zu denken geben dürfte Sunak auch die Konkurrenz der rechtspopulistischen Partei Reform UK, die ihm seit Längerem zusetzt. In Blackpool South landete die einstige Brexit-Partei nur gut 100 Stimmen hinter den Konservativen auf Platz drei. Auch bei den Lokalwahlen setzte Reform UK, einst von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage gegründet, teilweise beachtliche Resultate und kostete die Konservativen zahlreiche Sitze.
In Großbritannien steht nun ein langes Wochenende an. Zeit für Abgeordnete, darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll. Tory-Generalsekretär Richard Holden warnte vor unüberlegten Schnellschüssen. Tatsächlich scheint eine Revolte nicht unmittelbar. Die Sunak-Kritikerin Andrea Jenkyns, die seit Längerem den Rücktritt des Premiers verlangt, nannte ein fraktionsinternes Misstrauensvotum der Zeitung "Times" zufolge unwahrscheinlich. Allerdings forderte sie eine Kabinettsumbildung, um konservative Positionen deutlicher zu machen.
Für Sunak dürfte die Zeit als Premier dennoch ablaufen. Die Ergebnisse stützten die Umfragen, dass Labour bei der Parlamentswahl auf Kurs für eine deutliche Mehrheit ist, sagte Politikwissenschaftler Bale. Deutlicher wurde der Abgeordnete Lee Anderson, der vor kurzem von den Tories zur rechten Reform-Partei wechselte. Er sagte dem Sender Sky News: "Rishi Sunak könnte über Großbritannien fliegen und eine Million Pfund in jeden Schornstein werfen. Sie würden ihn trotzdem abwählen."