
Netanjahu beschränkt humanitäre Hilfe - USA starten Abwurf von Hilfsgütern über Gazastreifen
Der Sprecher des Weißen Hauses für nationale Sicherheit, John Kirby, sagte am Freitag, dass die Luftabwürfe geplant seien, um den Menschen am Boden auf sichere Weise humanitäre Nothilfe zu liefern. Die Vereinigten Staaten gehen davon aus, dass die Luftabwürfe dazu beitragen werden, die schlimme Lage in Gaza zu verbessern, sie sind jedoch kein Ersatz für Lastwagen, die weitaus mehr Hilfsgüter effektiver transportieren können, obwohl die Ereignisse am Donnerstag auch die Risiken des Bodentransports gezeigt haben.
Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober hat Israel die Einfuhr von Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und anderen Hilfsgütern verboten, mit Ausnahme einer Handvoll Hilfslieferungen, die aus Ägypten am Grenzübergang Rafah und am israelischen Grenzübergang Kerem Shalom in den Süden gelangen. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist ein Viertel der 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen vom Hungertod bedroht. Entwicklungshelfer erklärten, dass Abwürfe aus der Luft kein effizientes Mittel zur Verteilung von Hilfsgütern seien und lediglich das letzte Mittel seien.
Die USA haben Medienberichten zufolge damit begonnen, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aus der Luft mit Hilfsgütern zu versorgen. Mehrere US-Medien, darunter die Sender CNN und NBC, berichteten unter Berufung auf Regierungskreise, drei Transportflugzeuge des US-Militärs vom Typ C-130 hätten insgesamt 66 Pakete mit etwa 38.000 Mahlzeiten über dem Krisengebiet abgeworfen. Offizielle Angaben gab es zunächst nicht. US-Präsident Joe Biden hatte am Freitag Hilfslieferungen aus der Luft angekündigt. Der Demokrat hatte angesichts der humanitären Katastrophe in Gaza erklärt, die USA wollten die Menschen in dem dicht besiedelten Küstengebiet aus der Luft mit Hilfsgütern versorgen und auch Lieferungen über den Seeweg erwägen.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, hatte am Freitag betont, es gebe nur wenige Militäroperationen, die komplizierter seien als die Abwürfe humanitärer Hilfe aus der Luft. Es sei "extrem schwierig" einen Abwurf in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem Gazastreifen durchzuführen. Viele Menschen seien auf engem Raum zusammengepfercht. Man wolle so nah wie möglich an die Bedürftigen herankommen, aber nicht so, dass sie in Gefahr gerieten.
Abwürfe von Hilfslieferungen über dem Gazastreifen führen bereits Jordanien seit November und Ägypten seit wenigen Tagen durch. Die Flüge sind mit Israel koordiniert. Die abgeworfenen Lebensmittel oder Medikamente bringen eine gewisse Linderung der Not, vor allem in Gebieten, die wie der nördliche Gazastreifen mit Hilfslieferungen auf dem Landweg nur schwer oder gar nicht zu erreichen sind. UN-Organisationen weisen allerdings darauf hin, dass die Mengen, die durch Abwürfe geliefert werden können, eher gering sind.
Bei der großen Zahl der im Gazastreifen Not leidenden Menschen verpuffe die Wirkung schnell, heißt es. Hinzu kommt, dass in den betroffenen Gebieten in Gaza infolge des Kriegs jegliche Ordnung zusammengebrochen ist. Um die abgeworfenen Pakete prügeln sich häufig junge Männer, um etwas für ihre Familien zu ergattern. Einfacher wäre es, meinen UN-Mitarbeiter, wenn Israel einfach Lkw-Hilfslieferungen über Grenzübergänge im Norden des Gazastreifens zulassen würde.
Die US-Regierung mahnt seit Wochen die katastrophale humanitäre Situation in Gaza an und pocht auf eine Waffenruhe. Gemeinsam mit Ägypten und Katar vermittelt Washington zwischen der islamistischen Hamas und Israel, um im Gaza-Krieg eine Feuerpause zu erreichen. Ziele sind die Freilassung der Geiseln in den Händen der Hamas und die verbesserte Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibt trotz laufender Verhandlungen über eine Waffenruhe eine Bodenoffensive im Gazastreifen voran und lässt humanitäre Hilfe beschränken. Am Donnerstag hatten bei der Ankunft eines Hilfskonvois im Gazastreifen viele verzweifelte Menschen versucht, sich mit Hilfsgütern zu versorgen. Bei dem Ansturm kam es zu Tumulten und Schüssen durch israelische Soldaten. Der Hamas-kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen zufolge sollen mehr als hundert Menschen getötet und mehr als 700 verletzt worden sein. Die Vorfälle sind noch weitgehend ungeklärt.
Während es von palästinensischer Seite hieß, israelische Soldaten hätten gezielt in die Menge geschossen, machte das israelische Militär das Chaos und Gedränge für die Toten verantwortlich. Zwar seien Schüsse gefallen, aber dadurch habe es nur wenige Verletzte gegeben. Zahlreiche Länder, darunter die USA und Deutschland, forderten daraufhin Aufklärung durch Israel. Die Tragödie ereignete sich an dem Tag, an dem die Marke von 30 000 Toten seit Beginn der israelischen Militäroffensive überschritten wurde.