
Willkommen im Club: Wie Scholz in Dubai für das Klima kämpft
Das Eis an Nord- und Südpol hat begonnen zu schmelzen. Wissenschaftler mahnen, es komme nicht nur auf Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts an. Entscheidend sei, was jetzt, hier und heute geschehe. Die Schmelze sei unumkehrbar, sagen sie. Es gehe nur darum, den Prozess – den Anstieg des Meeresspiegels und den Untergang ganzer Regionen – zu verlangsamen.
Der Bundeskanzler ist zur Weltklimakonferenz COP28 gereist, um sich mit 170 Staats- und Regierungschefs den Kopf zu zerbrechen, wie die Anstrengungen erhöht werden können. Angesichts anderer Krisen – Corona-Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, neuer Nahostkonflikt – ist es für viele schwerer geworden, die Etappenziele zu erreichen.
Deutschland selbst hat Kohlekraftwerke wieder hochgefahren, um die gekappten russischen Gaslieferungen zu kompensieren, und obendrein gerade ein handfestes Haushaltsproblem, weil der Etat 2024 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet werden muss. Zusagen in Dubai für die Zukunft stehen unter Vorbehalt.
Er versichert am Freitagabend aber, dass Deutschland seine Klimaziele weiter erfüllen wolle. "Deutschland hat seinen Beitrag als Industrieland zu leisten", betont er. Und versichert trotz des Ringens seiner Ampelkoalition um Einsparungen und Neuverschuldung in dem Haushalt für das nächste Jahr: "Wir haben einen sehr großen Haushalt." Deutschland habe "umfassende Möglichkeiten, seine Zukunft zu gestalten". Das eine sei mit dem anderen "sehr vereinbar".
Scholz hat schlaflose Nächte. Man merkt ihm das an, als er mit Vertreterinnen und Vertretern von mehr als 30 Staaten zusammenkommt, die sich seinem im Sommer beim G7-Gipfel ausgerufenen Klimaclub anschließen. In Dubai treffen sie sich zur offiziellen Gründungsveranstaltung. Dass es dafür anderthalb Jahre gebraucht hat, zeigt, wie langsam die Mühlen mahlen. Und dennoch ist das für die internationale Klimapolitik erfreulich schnell. Scholz ist stolz, aber müde. Er hält seine Rede und lässt dann reihum die anderen sprechen. Manchmal hat er Mühe, Namen und Funktionen auf seinem Zettel zu entziffern. Als er sich seine Brille aufsetzt, geht es besser.
Der Kanzler sagt: "Uns eint die Überzeugung, dass der Klimawandel die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist. Uns eint auch ein gemeinsames Ziel: die Dekarbonisierung der Industrien und die Entkopplung von Wachstum und Emissionen." Die Methodiken sollen miteinander abgestimmt werden, um "die Leitmärkte für klimaneutrale Industrieprodukte wie klimafreundlichen Stahl und Zement oder klimafreundliches Aluminium auszubauen".
Der Klimaclub vereint Entwicklungsländer, Schwellenländer sowie neue und alte Industrieländer. Sie wollen gemeinsam einen Schritt weiter gehen als andere Länder. Die USA sind dabei, Kanada, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Finnland, Dänemark, Kolumbien, Chile, Luxemburg, die EU und weitere. Ihre Regierungschefs und Botschafter mahnen nacheinander, dass mehr getan werden müsse. Was der Club genau unternehmen wird, ist noch offen. Alles ist freiwillig, niemand muss etwas zahlen. Aber das kann sich noch entwickeln. Wissenschaftler und Klimaaktivisten und ‑aktivistinnen fordern einen radikalen Schnitt: den Ausstieg aus allen fossilen Energien. Die Welt müsse sich von der Förderung von Kohle, Öl und Gas verabschieden. Sonst könnten die vereinbarten Klimaziele nicht eingehalten werden.
Deutschland gehört als Industrienation zu den Ländern mit dem größten ökologischen Fußabdruck. Die Bundesregierung sieht sich deshalb in der Pflicht, bei der Bekämpfung des Klimawandels voranzugehen. Die eigene Bilanz ist im internationalen Vergleich zwar nicht schlecht, aber gemessen an den eigenen Zielen getrübt. 2022 wurden gut 40 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt als 1990.
Doch das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Zahlen bis 2030 um 65 Prozent sinken müssen, um das deutsche Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Experten befürchten, dass das nicht gelingt. Zuletzt wurden vor allem im Bereich des FDP-geführten Bundesverkehrsministeriums die Ziele gerissen. Weltweit stößt mehr als die Hälfte aller Staaten der Erde mehr Treibhausgas aus als noch vor knapp 20 Jahren.
Wenn 70.000 bis 90.000 Menschen zu einer Weltklimakonferenz reisen, stellt sich zwangsweise die Frage, ob die dadurch verursachten Emissionen es wert sind. Die Bundesregierung sagt eindeutig Ja: Jedes Jahr sei der Klimawandel wenigstens für zwei Wochen beherrschendes Thema, heißt es. Und auch die insgesamt 200-köpfige deutsche Delegation sei gerechtfertigt. Ein Diplomat sagt: "Wenn wir mit einer winzig kleinen Delegation antreten würden, würden alle sagen: Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung die COP nicht ernst nimmt."
Die Linkspartei sagt Nein: Sie erwarte sich keine Fortschritte für die Entwicklungsländer von der Konferenz, sagt die EU-Spitzenkandidatin der Linken, Carola Rackete, dem RND. "Was es braucht, sind ein Schuldenerlass für den globalen Süden und ein internationaler Sperrvertrag für fossile Energie", so Rackete. "Auf der COP werden stattdessen technische Luftschlösser wie CCS angepriesen, also das Abscheiden und Speichern von CO₂, und ökologisch nutzlose Märkte für Verschmutzungszertifikate unter dem extrem irreführenden Namen ‚naturbasierte Lösungen‘", kritisierte die Klimapolitikerin der Linken.
Rackete rief die Bundesregierung zum umfassenden Ausstieg aus der Verbrennung von Erdgas und Erdöl auf. "Deutschland muss seiner Verantwortung nachkommen und sofort aufhören, weitere fossile Infrastruktur wie etwa LNG-Terminals zu bauen, die für unsere Energieversorgung gar nicht notwendig sind", forderte die Linke. "Als eines der wohlhabendsten Länder sollte sich die Bundesrepublik für die Entschuldung und für die kostenlose Bereitstellung von klimafreundlicher Technologie im globalen Süden starkmachen."
Von der Klimakonferenz COP28 seien keine grundlegenden Fortschritte zu erwarten, so Rackete. "Auch in Dubai werden die Hauptverantwortlichen der Erderhitzung sich weiterhin vor ihrer Verantwortung drücken", sagte sie dem RND. "Die Leidtragenden der Klimakrise sind nicht die größten Umweltsünder, sondern die Länder des globalen Südens."