
Fast zwei Drittel der in China tätigen deutschen Unternehmen fühlen sich unfair behandelt
"Die rechtlichen Rahmenbedingungen in China schwächen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, die entschlossen sind, von der Innovationsstärke Chinas zu profitieren", erklärte Ulf Reinhardt von der AHK. Die Kombination aus einer schleppenden Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und dem Erstarken lokaler Unternehmen machten die "unfairen Wettbewerbsbedingungen in China besonders deutlich spürbar", erklärte die Kammer.
Viele der etwa 5000 deutschen Unternehmen kritisieren seit Jahren immer wieder dieselben Schwierigkeiten auf dem Markt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Rund zwei Drittel beklagten laut einer Erhebung der AHK unfairen Wettbewerb. "Wir sehen, dass das Thema Wettbewerbsbedingungen eine andere Priorität hat als es noch vor fünf Jahren hatte", sagte Butek. Chinesische Unternehmen hätten technologisch aufgeholt. "Von daher müssen wir jetzt wirklich die Unterstützung von der Politik haben, dass hier Verhandlungen aufgenommen werden", erklärte er.
Scholz reist am Samstag für drei Tage die Volksrepublik und will dort Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping treffen. Es ist die zweite Reise des Kanzlers in die Volksrepublik seit seinem Amtsantritt im Dezember 2021. Sein Antrittsbesuch im November 2022 war wegen der noch anhaltenden Corona-Pandemie nur ein Tagestrip. Seine Reise beginnt in der zentralchinesischen Mega-Stadt Chongqing, die ihre gesamten Verwaltungsbezirke zusammengerechnet mehr als 30 Millionen Einwohner hat. Chongqing ist auch der Beginn einer Güterzugverbindung zwischen China und Europa, die im nordrhein-westfälischen Duisburg endet. Laut chinesischen Angaben erreichen auf dieser Strecke jede Woche geschätzt 60 Züge die Stadt im Ruhrgebiet, von wo aus Schiffe die Güter etwa über den Binnenhafen weitertransportieren.
Scholz wird außerdem in der Finanzmetropole Shanghai und der chinesischen Hauptstadt Peking zu Gesprächen erwartet. Mit dabei ist auch eine Delegation aus Wirtschaftsvertretern. Die Probleme, die Deutschland etwa durch billige Produkte aus China auf dem eigenen Markt hat, und jene, die deutsche Unternehmen in China haben, könnten damit auch zur Sprache kommen.
95 Prozent der Unternehmen rechnen durch das Erstarken der chinesischen Konkurrenz mit Auswirkungen auf das eigene Geschäft. Als Folgen des verschärften Wettbewerbs werden den Angaben zufolge vor allem ein erhöhter Kostendruck, Gewinneinbußen und ein geringerer Marktanteil erwartet. Trotzdem plant über die Hälfte (54 Prozent) der 150 befragten Unternehmen weitere Investitionen in der Volksrepublik. Der Großteil davon wolle damit überhaupt wettbewerbsfähig bleiben. Früher hätten Firmen eher investiert, um zu wachsen oder neue Potenziale zu erschließen.
Bundeskanzler Scholz müsse der chinesischen Regierung verständlich machen, auf welche Herausforderungen die deutschen Firmen treffen. "Wir erwarten, dass wieder mehr Vertrauen geschaffen wird zwischen den Regierungen", sagte Maximilian Butek von der Handelskammer Ostchina.
Die EU-Kommission wittert längst unerlaubte Subventionen, um den chinesischen Herstellern Vorteile zu verschaffen. Die Behörde prüft etwa Subventionen für chinesische Solarhersteller, Elektroautos und Windturbinen - in letzter Konsequenz drohen Strafzölle. Butek von der Handelskammer sieht das kritisch. Deutschland sei wie kaum ein anderes Land abhängig von offenen Märkten und stark exportorientiert. Strafzölle wirkten sich demnach nicht nur auf China aus, sondern wohl auch auf Deutschland und die EU.
Derzeit sehen sich die deutschen Unternehmen bei der Produktqualität, der technologischen Führungskraft und der Innovationsstärke ihrer chinesischen Konkurrenz überlegen. Die Umfrage zeigt aber auch, dass China in diesen Bereichen deutlich aufholt. So gaben lediglich fünf Prozent der Unternehmen an, dass China bereits heute Innovationsführer ihrer Branche ist. Innerhalb der kommenden fünf Jahre erwarten das allerdings schon 46 Prozent.
In der Automobilbranche sehen bereits heute elf Prozent die chinesischen Unternehmen vorne, während 58 Prozent erwarten, dass dies in den nächsten fünf Jahren der Fall sein wird.