
Das Bangen der Wirtschaft nach dem Beben von Karlsruhe
In den Unternehmen geht nun die Angst um. Welche Bereiche sind betroffen? Welche Projekte werden gestrichen? Welche Fördertöpfe fallen kleiner aus? Viele Fragen werden gestellt, die Antworten aber fließen bislang nur spärlich. Für alles, was bereits zugesagt sei, werde es auch Geld geben, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch nach dem Urteil versprochen. "Alle zugesagten Verpflichtungen werden eingehalten."
Der Satz gilt nach Informationen aber nur für Zusagen mit einer rechtsverbindlichen Wirkung. "Soweit bereits eingegangene Verpflichtungen aufgrund des um 60 Milliarden Euro verringerten Umfang des Fonds absehbar nicht mehr bedient werden können, muss dies durch den Haushaltsgesetzgeber anderweitig kompensiert werden", hatte die Vorsitzende des zweiten Senats, Doris König, in ihrer Urteilsverkündung gesagt. Heißt: Alle, die bereits eine rechtsverbindliche Förderzusage haben, sind fein raus – alle anderen müssen zittern.
Die Liste der Ausgaben, die mit dem nun in Finanznot geratenen Klima- und Transformationsfonds (KTF) bestritten werden sollten, ist lang. Allein für die Förderung energetischer Sanierungen und effizienter Neubauten sind für das kommende Jahr 18,9 Milliarden Euro vorgesehen. Der Gebäudebereich werde von der kurzfristig verhängten Ausgabesperre nicht betroffen sein, versicherte Finanzminister Christian Linder (FDP) am Mittwoch.
Die 12,6 Milliarden Euro EEG-Förderung, die im kommenden Jahr an die Betreiber von Windkraft- und Solaranlagen fließen sollen, sind ebenfalls gesetzlich garantiert – nicht allerdings ihre Finanzierung. Bis 2022 wurden die Milliarden von allen Stromkunden durch eine Umlage getragen. Zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von den steigenden Energiekosten hatte die Ampel die EEG-Umlage erst in diesem Jahr abgeschafft und die fehlenden Mittel aus dem KTF genommen. Gut möglich, dass die Regierung in ihrer Not die EEG-Umlage nun wieder einführt.
Andere Projekte stehen auf der Kippe. 4,7 Milliarden Euro sollten im kommenden Jahr in den Ausbau der Elektromobilität und der Ladesäuleninfrastruktur fließen, 4 Milliarden Euro ins Schienennetz und 3,8 Milliarden in den Aufbau der Wasserstoffindustrie. Auch die gerade erst verkündeten Hilfen für besonders energieintensive Industrien von 2,6 Milliarden Euro jährlich stehen wieder zur Disposition.
Im Wirtschaftsministerium sorgt man sich um die Folgen für den Standort Deutschland. Der KTF sei schließlich keine Privatschatulle von Minister Habeck gewesen, sondern ein wichtiger Teil der deutschen Antwort auf die massiven Investitionen der USA in die klimaneutrale Wirtschaft, heißt es. Die Koalition als Ganzes müsse nun eine Antwort auf die Frage geben, wie es nun weitergehen solle.
Auch Verbandsvertreter sind alarmiert. "Die Politik muss nun schnellstmöglich die Finanzierung wichtiger energie- und klimapolitischer Vorhaben sicherstellen – insbesondere die Entlastungen bei der EEG-Umlage sowie die Strompreiskompensation", fordert der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian. Angesichts der hohen Energiekosten für Unternehmen sei das dringender denn je.
Immerhin scheint die gerade erst beschlossene Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe nicht infrage zu stehen. Die damit einhergehenden Mindereinnahmen von jährlich etwa 2,75 Milliarden Euro sollen nicht aus dem KTF bestritten werden, sondern aus dem Bundeshaushalt. Alles andere ist nun Verhandlungssache.