
Mindestens 2000 Tote nach Erdbeben in Marokko – Suche nach Überlebenden ist schwierig
Letzten offiziellen Angaben zufolge ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 2000 gestiegen. Mindestens 2059 weitere Menschen wurden verletzt, mehr als die Hälfte davon schwer, wie marokkanische Medien in der Nacht auf Sonntag unter Berufung auf das Innenministerium berichteten. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter steigt, wenn Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen. Das ganze Ausmaß der Katastrophe war daher zunächst ungewiss.
Die Bundesregierung prüft unterdessen, ob auch Deutsche unter den Opfern sind. Derzeit lägen keine Kenntnisse darüber vor, hieß es am Samstagnachmittag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Die Lage in dem Erdbebengebiet in dem nordafrikanischen Land sei aber in Teilen noch sehr unübersichtlich. Die Bergungs- und Rettungstrupps stehen vor großen Herausforderungen. "Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen", teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in einer Mitteilung mit. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen in Marokko eingetroffen sei, um die Such- und Rettungskräfte zu unterstützen.
Derweil stehen auch in Deutschland und anderen Ländern Hilfskräfte einsatzbereit. Die Vorbereitungen des Technischen Hilfswerks (THW) liefen bereits, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). "Sobald wir mehr Informationen haben, welche Hilfe konkret benötigt wird, können wir unsere Spezialisten nach Marokko entsenden." Einem Sprecher des THW zufolge sind etwa Bergungsteams oder Wasseraufbereitungsanlagen denkbar. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten vom Erdbeben betroffen. Sie verbrachten die zweite Nacht in Unsicherheit und Trauer. Das Beben war das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko.
Das Beben ereignete sich am späten Freitagabend um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dort liegen Ortschaften entlang steiler und kurvenreicher Serpentinen. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich. Da Erdbeben in Nordafrika relativ selten auftreten, sind Gebäude nach Einschätzung von Experten nicht robust genug gebaut, um solchen starken Erschütterungen standzuhalten.
Laut Augenzeugenberichten löste das Erdbeben in Marrakesch, Agadir und anderen Städten bei Bewohnern Panik aus. Wie die Zeitung "Le Matin" berichtete, war das Beben auch in Rabat und Casablanca zu spüren..
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren Trümmerhaufen, zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen. Aus vielen Provinzen wurden Tote gemeldet. Kurz nach dem ersten Beben kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Erschütterungen blieben viele im Freien. Bewohner standen in Straßen oder kauerten auf Gehwegen.
Rettungskräfte suchten unter den Trümmern nach Überlebenden. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, die Streitkräfte und der Zivilschutz setzten alle Mittel ein, um Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten. Demnach gibt es die meisten Schäden außerhalb der Städte. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei. Die Erschütterung riss auch in Spanien und Portugal Menschen aus dem Schlaf. Auch in Algerien war es zu spüren. Ob es Schäden oder Opfer gab, wurde nicht bekannt
International war die Betroffenheit groß. Bundeskanzler Olaf Scholz drückte sein Mitgefühl aus. "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens", teilte der SPD-Politiker auf der Plattform X (früher Twitter) mit. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos zu unterstützen. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel sicherte Marokko die Unterstützung der EU zu. Weitere Länder boten humanitäre Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau an, neben Spanien und Portugal auch Israel und Großbritannien. Chinas Staatschef Xi Jinping sprach dem König von Marokko sein Beileid aus. Der Papst äußerte in einem Kondolenzschreiben tiefe Trauer. US-Präsident Joe Biden zeigte sich "tieftraurig".
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte sein Mitgefühl aus. "Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite", schrieb Erdogan auf der Plattform X. Der Südosten seines Landes sowie Syrien waren Anfang Februar selbst von einem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,8 getroffen worden - allein in der Türkei kamen dabei mehr als 50 000 Menschen ums Leben.
Erdbeben treten in Nordafrika nur relativ selten auf. 1960 hatte sich nach Angaben des Senders Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben gekommen waren. 2004 erschütterte ein Beben der Stärke 6,4 Marokko. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben.
ag/bnm