
"Ihre Politik basiert auf Lügen" - Scholz im Hochwassergebiet in Sachsen-Anhalt teils unfreundlich empfangen
Bei seiner Ankunft im Hochwassergebiet im Süden Sachsen-Anhalts war der Kanzler von einigen Menschen unfreundlich empfangen worden. "Verbrecher", "Ihre Politik basiert auf Lügen" und "Geh gleich wieder zurück", war am Donnerstag aus einer rund zehnköpfigen Gruppe zu hören.
Bei seinem anschließenden Besuch in Berga, wo sich Scholz eine Anlage zum Abfüllen von Sandsäcken anschaute, sagte der Kanzler den vom Hochwasser betroffenen Gebieten in Deutschland Unterstützung auch bei der späteren Beseitigung der Schäden zu. "Klar ist, das wird nur gemeinsam gehen, und das muss auch solidarisch in Deutschland erfolgen", so Scholz.
Der Kanzler zeigte sich beeindruckt von der Solidarität auch über Ländergrenzen hinweg bei der Bekämpfung der Fluten. "Das, glaube ich, zeigt, dass wir zusammenstehen können in Deutschland." Es gehe aber nicht nur jetzt um Solidarität. "Dieser Geist der Solidarität wird auch hinterher gelten, und wir werden niemanden alleine lassen." Das gelte für den Bund, die Länder und für viele andere. "Das gehört zu unserem Land dazu", sagte Scholz.
Umweltministerin Lemke betonte, jetzt stehe die Bewältigung der Katastrophe im Vordergrund. Danach werde es um die Frage gehen, "wie geholfen werden kann, wo geholfen werden muss, finanziell, aber auch anderweitig". Man müsse sich mittel- und langfristig zwischen Gemeinden, Ländern und Bund aber auch darüber verständigen, wie man sich besser auf solche Ereignisse vorbereitet. "Das Wasser braucht Platz, das ist hier hautnah zu sehen", sagte Lemke.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff forderte dagegen für die Zeit nach der Bewältigung des Hochwassers eine umfassende Analyse. "Wir müssen darüber reden, wie wir mit solchen Katastrophen langfristig umgehen", sagte er. Wenn die Katastrophen-Situation vorbei sei, müsse aufgeräumt, analysiert und nachgesteuert werden, so Haseloff. Dabei gehe es etwa um die Fragen der Schadensregulierung durch Versicherungen oder um die Dimensionierung der Deiche. "Da muss vieles neu berechnet und festgelegt werden."
Kurz vor dem Jahreswechsel wurde im Landkreis Mansfeld-Südharz der Katastrophenfall ausgerufen. Die Helme war stellenweise weit über die Ufer getreten. Bedroht sind derzeit mehrere Orte an dem Fluss.
Auch in anderen Bundesländern, vor allem in Niedersachsen, kämpfen die Einsatzkräfte seit Tagen gegen Wassermassen. Viele Pegel in Niedersachsen und in Teilen Bremens zeigen weiterhin die höchste Meldestufe an. Zwar soll es am Donnerstag weitgehend trocken bleiben - nach dem Dauerregen der vergangenen Tage droht die Situation sich jedoch an einigen Orten zu verschärfen. Betroffen sind demnach die Einzugsgebiete von Aller, Leine und Oker sowie von Hase und Hunte.
"Wir sind immer noch in einer enorm kritischen Lage, und wir konzentrieren uns voll und ganz auf die Bekämpfung des Hochwassers", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwochabend im NDR-Fernsehen.
Das Besondere an der aktuellen Lage sei, dass es Hochwasser großflächig an vielen Flüssen und Orten gleichzeitig gebe, sagte der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen an der Leibniz-Universität Hannover, Torsten Schlurmann, der Deutschen Presse-Agentur. Zudem dauere die Lage schon über Tage an. "Wir sehen keine schnell abfließende Hochwasserwelle an den Flüssen, sondern dass das Wasser quasi steht. Durch den langanhaltenden Einstau gibt es nun das Risiko, dass die Deiche an ihre Leistungsgrenzen stoßen", sagte Schlurmann.
Das Wasser trifft auch die Landwirtschaft. In Niedersachsen ist fast jeder Landwirt nach Angaben des Bauernverbandes derzeit von Überflutungen seiner Felder oder von Nässeschäden betroffen.
Hochwasserhilfe für Niedersachsen kommt auch aus dem Ausland: Ein Team des französischen Zivilschutzes will am Donnerstag bei Winsen an der Aller einen mobilen Deich errichten. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens will sich vor Ort ein Bild von dem Aufbau machen.