
Leichnam des Kreml-Kritikers Nawalny wurde an seine Mutter übergeben
Jarmisch dankte allen, die die Freigabe des Leichnams "mit uns gefordert haben". Zehntausende Russen hatten eine entsprechende Petition unterschrieben, Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich veröffentlichten Videobotschaften mit der Forderung. Der Tod des seit Jahren in Russland inhaftierten Nawalny war am Freitag vergangener Woche bekannt gegeben geworden. Er starb in einem Straflager am Polarkreis im Alter von 47 Jahren. Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja hatte erst am Donnerstag Zugang zu dessen Leiche erhalten.
Nawalnys Witwe Julia hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin noch am Samstag in einer Videobotschaft vorgeworfen, die Leiche ihres in der Haft gestorbenen Mannes als "Geisel" genommen zu haben. "Ihr habt ihn zu Lebzeiten gefoltert, jetzt foltert ihr ihn nach seinem Tod", sagte Julia Nawalnaja. Jarmisch zufolge drohten russische Ermittler damit, die Leiche Nawalnys auf dem Gelände der Strafkolonie zu begraben, in der er gestorben ist, wenn seine Familie einer geheimen Beerdigung nicht zustimme.
Sie wisse noch nicht, ob "die Behörden verhindern werden, dass der Ablauf der Trauerfeier so abläuft, wie die Familie es wünscht und wie Alexej es verdient", erklärte Jarmisch weiter. Ljudmila Nawalnaja befinde sich weiterhin in der Stadt Salechard in der Nähe des Gefängnisses, in dem ihr Sohn gestorben war, gab sie an. Beobachtern zufolge befürchtet der Kreml, dass eine öffentliche Beerdigung zu einem Großereignis werden könnte. In den 2010er Jahren, vor den massivsten Repressionen, war es Nawalny gelungen, vor allem in Moskau Massen zu mobilisieren. Mitte März sind in Russland Präsidentschaftswahlen angesetzt. Der erneute Wahlsieg Putins steht bereits jetzt so gut wie fest, da er keine ernsthafte Konkurrenz hat.
Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten würdigten am Samstagabend in einer gemeinsamen Erklärung "den außergewöhnlichen Mut" Nawalnys und erklärten, sie stünden "an der Seite seiner Frau, seiner Kinder und all jener, die ihm nahe waren". Nawalny habe "sein Leben dem Kampf gegen die Korruption des Kreml und für freie und faire Wahlen in Russland geopfert". Die G7 riefen die Regierung in Moskau auf, "die Umstände seines Todes lückenlos aufzuklären".
Zudem forderten sie Moskau auf, alle unrechtmäßig festgehaltenen Gefangenen freizulassen und "die Verfolgung der politischen Opposition sowie die systematische Beschneidung der Rechte und Freiheiten der Menschen in Russland zu beenden".
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedew kündigte unterdessen Rache an für die jüngsten Sanktionen des Westens im Zusammenhang mit Nawalnys Tod. "Wir müssen uns daran erinnern und uns an ihnen rächen, wo immer es möglich ist. Sie sind unsere Feinde", schrieb der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats am Samstag im Onlinedienst Telegram. Medwedew rief zudem dazu auf, in westlichen Ländern verdeckte Operationen auszuführen. Er sprach von "Aktivitäten einer bestimmten Art, über die man nicht öffentlich reden kann".
Die USA hatten am Freitag anlässlich des zweiten Jahrestags der russischen Offensive in der Ukraine und im Zusammenhang mit dem Tod Nawalnys neue massive Sanktionen gegen Moskau verkündet. Zuvor hatte auch die EU ein neues Sanktionspaket angekündigt. Der Tod des prominentesten Widersachers von Kreml-Chef Putin löste international Bestürzung aus. Neben Nawalnys Witwe machen zahlreiche westliche Politiker die russische Führung sowie Putin persönlich für seinen Tod verantwortlich. Moskau wies die Anschuldigungen zurück.
Nach Angaben von Nawalnys Team verweist die Sterbeurkunde auf eine "natürliche" Todesursache - was die Anhänger des Oppositionspolitikers zurückweisen. Das Team hat am Freitag Polizisten, Militärs und Mitglieder der Sicherheitsdienst aufgerufen, ihnen jede Informationen über den "Mord" mitzuteilen. Im Austausch "versprechen wir eine Belohnung von 20.000 Euro und die Organisation ihrer Ausreise aus dem Land, wenn Sie es wünschen", hieß es.