
Rätselhafte Durchfallwelle: Was man über den Darmparasiten weiß
2411 laborbestätigte Fälle wurden zwischen Mitte August und Anfang Oktober übermittelt – überall im Land. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den sonst erwarteten Infektionszahlen für diesen Zeitraum. Gemessen an den Vorjahren sind es fast fünfmal so viele Fälle. Das berichten Forschende in einer Ende Oktober veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift "Eurosurveillance".
Die Dunkelziffer dürfte zudem hoch sein. Nicht jeder hinter einer Durchfallerkrankung steckende Erreger wird im Labor untersucht. Zumal auch gesunde Menschen ohne Symptome mit Kryptosporidien infiziert sein und diese mit dem Stuhl ausscheiden können.
Wieso mehr Menschen im Land erkranken, ist unklar. Vermutet wird, dass Schwimmen, einschließlich der Nutzung von Schwimmbädern, und Auslandsreisen die Ursache für den derzeitigen Anstieg sein könnten. Viele der Infizierten seien vorher im Urlaub in Spanien gewesen, heißt es im Bericht. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass andere Quellen, beispielsweise kontaminierte Lebensmittel, eine Rolle spielen.
Auch in Deutschland kursieren Erreger der Kryptosporidiose. Schon 1976 wurden sie hierzulande bei Menschen festgestellt. Aktuelle Zahlen zeigen: Hierzulande gibt es momentan ebenfalls einen Anstieg der gemeldeten Fälle – allerdings moderater als in Großbritannien. Waren es 2022 noch 1712 Erkrankungen, sind es in diesem Jahr bis zur 44. Kalenderwoche 2157 (Stand: November 2023). Das geht aus dem epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor.
Seit 2001 gibt es hierzulande eine Meldepflicht. Das heißt, Ärztinnen und Ärzte müssen den Gesundheitsbehörden positive Befunde mitteilen. Bis 2013 gab es im Schnitt zwischen 800 und 1500 Fälle pro Jahr – also etwas weniger als heutzutage. Studien gehen davon aus, dass bei 2 bis 4 Prozent der Durchfallerkrankten in Industriestaaten die Parasiten im Stuhl nachgewiesen werden können.
In der Regel vergehen sieben bis zehn Tage zwischen Ansteckung und Symptomen. Menschen erkranken ganz unterschiedlich. Manche bemerken die Infektion gar nicht. Andere erkranken schwer – mit "erheblichen wässrigen Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können", hält das RKI in einem Steckbrief zu Kryptosporidiose fest. Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und Gewichtsverlust sind ebenfalls typische Symptome. Bisher gibt es weder einen Impfstoff noch spezielle Medikamente gegen Kryptosporidien. Nur die Symptome können gelindert werden – etwa durch die Gabe von Flüssigkeit und Elektrolyten.
Bei gesunden Erwachsenen bessert sich der Gesundheitszustand normalerweise nach ein bis zwei Wochen. Bei Säuglingen und Immunsupprimierten, wie HIV-Infizierten und Organtransplantierten, kann der Durchfall länger anhalten, im Extremfall zu einer Klinikeinweisung führen und tödlich verlaufen. Kinder im Alter von sechs bis 24 Monaten sind besonders häufig von einer Kryptosporidiose betroffen.
Vorsichtig sollte man auch beim Reisen sein. Der Erreger ist weltweit verbreitet. Die Durchfallerkrankung führt vor allem in Entwicklungsländern zu vielen schweren Verläufen. Allein in Südasien und Subsahara-Afrika sei der Parasit für jährlich 200.000 Todesfälle bei Kindern unter zwei Jahren verantwortlich, halten Forschende des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in einer Mitteilung fest. Außerdem wird der Erreger mit Folgeerkrankungen bei mehr als sieben Millionen Kindern in diesen Regionen in Verbindung gebracht. "Eine Erkrankung kann neben schweren Durchfällen zu Wachstumsverzögerungen und Behinderungen führen und belastet somit die kindliche Entwicklung nachhaltig", heißt es.
Die Infektion erfolgt überwiegend durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser, also etwa Trinkwasser, Eiswürfel, Badewasser. Aber auch fäkal-orale Übertragungen von Mensch zu Mensch, Tier zu Mensch oder Infektionen durch kontaminierte Lebensmittel wie Fleisch sind möglich. Die Erreger sind widerstandsfähig gegenüber vielen Desinfektionsmitteln. "Beim Abkochen von Wasser werden sie jedoch sicher abgetötet", sagt das RKI.
Wer das Ansteckungsrisiko verringern will, sollte vorsichtig sein bei Kontakt mit unter Durchfall leidenden Menschen und Tieren. Ebenso beim Trinken und Verschlucken von kontaminiertem Leitungswasser oder Wasser aus Seen, Flüssen oder Swimmingpools. Gründliches Händewaschen hilft: nach jeder Toilettenbenutzung, Kontakt mit Windeln sowie Abwasser, Gartenerde und Haustieren, vor der Nahrungszubereitung und dem Essen. Wer sich ein neues Haustier zulegt, insbesondere Welpen, sollte eine tierärztliche Untersuchung auf Kryptosporidien durchführen. Wer unter Durchfall leidet, sollte sich bewusst machen, ansteckend sein zu können. So raten die Forschenden aus Großbritannien, Schwimmbäder und Badegewässer bis 14 Tage nach Abklingen der Symptome strikt zu meiden.