
Der Europarat drängt Großbritannien auf Rücknahme des Ruanda-Gesetzes
Der Entwurf, dem das britische Oberhaus in der Nacht zum Dienstag nach langem Widerstand zustimmte, erklärt Ruanda per Gesetz zum sicheren Drittstaat. Damit will die Regierung Einsprüche vor britischen Gerichten gegen Abschiebungen verhindern. Der Asylpakt mit Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Migranten in Großbritannien keine Gelegenheit mehr zum Antrag auf Asyl erhalten sollen. Sie sollen stattdessen nach Ruanda gebracht werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Mit der Regelung sollen Menschen von der gefährlichen Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abgehalten werden. Gegner bezweifeln aber, dass das Gesetz Migranten abschrecken wird.
Das Ruanda-Programm – das von Menschenrechts-experten der Vereinten Nationen und Gruppen, die Asylsuchende unterstützen, kritisiert wird – war seit seinem ersten Vorschlag im Jahr 2022 mit rechtlichen Herausforderungen konfrontiert. Anwälte von Asylbewerbern könnten sich erneut an den EGMR wenden – ein letztinstanzliches Gericht, gegen dessen Urteile keine Berufung eingelegt werden kann –, um in einem Last-Minute-Versuch, den Start von Flügen zu stoppen, eine einstweilige Maßnahme durchzusetzen. Bei der Maßnahme handelt es sich um eine Eilentscheidung, die nur dann erlassen wird, wenn der EGMR feststellt, dass die unmittelbare Gefahr eines irreparablen Schadens für den Kläger besteht.
Britische Konservative bemängeln, dass es sich bei den Urteilen um "Pyjama-Verfügungen" handele, die zu unsozialen Zeiten erlassen würden, doch Quellen des Europarates beharren darauf, dass sie in voller Übereinstimmung mit den Statuten des EGMR erlassen würden. Sunak bekräftigte am Montag in London, dass er nicht zulassen werde, dass "ein ausländisches Gericht ... uns daran hindert, Flüge zu organisieren". "Wenn es jemals zu einer Wahl zwischen unserer nationalen Sicherheit und der Sicherung unserer Grenzen und der Mitgliedschaft in einem ausländischen Gericht kommt, werde ich natürlich immer unsere nationale Sicherheit priorisieren", sagte er.
Der französische Innenminister Gerald Darmanin hat geschworen, sich einem Urteil des EGMR zu widersetzen, das die Rückkehr eines usbekischen Staatsbürgers nach Frankreich anordnet, der von den französischen Behörden beschuldigt wird, ein islamistischer Radikaler zu sein. O'Flaherty beklagte, dass die britische Gesetzgebung einem britischen Minister die Befugnis gibt, zu entscheiden, ob einstweilige Maßnahmen der EMRK eingehalten werden sollen, auch wenn "solche Maßnahmen bindend sind". "Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften untergräbt das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf individuelle Petition", sagte er.
Der Europarat ist von der EU unabhängig und wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Der zum Europarat gehörende Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGRMR) hatte 2022 Großbritannien daran gehindert, Asylsuchende verschiedener Nationalitäten per Flieger nach Ruanda zu schicken, wo sie stattdessen einen Asylantrag stellen sollten.