
Iran kündigte Vergeltungsschlag nach dem Luftangriff - Israel und die USA in höchste Alarmbereitschaft versetzt
Am 1. April waren bei einem Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der mächtigen Revolutionsgarden getötet worden. Das iranische Außenministerium und die US-Regierung gehen davon aus, dass Israel den Angriff ausgeführt hat. Von israelischer Seite wurde der Vorfall nicht kommentiert.
Der getötete iranische Brigadegeneral Mohammad Resa Sahedi wurde inzwischen in seinem Geburtsort Isfahan im Zentraliran beigesetzt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna nahmen Tausende Menschen an der staatlich-organisierten Beisetzung des hochrangigen Mitglieds der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) teil.
Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei drohte mit Vergeltung. "Das boshafte Regime wird durch unsere tapferen Männer bestraft werden", sagte das Staatsoberhaupt einen Tag nach dem Luftangriff. Die "New York Times" zitierte zwei namentlich nicht genannte iranische Beamte, wonach das Land seine Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt hat.
Wie und wann Irans Staatsmacht reagiert, ist offen. Aussagen Chameneis wurden aber so gedeutet, dass eine militärische Aktion der eigenen Streitkräfte bevorstehen könnte. Ranghohe US-Regierungsvertreter hielten einen Vergeltungsschlag gar für unvermeidlich, berichtete CNN. Die USA bereiteten sich auf einen "erheblichen" Angriff in der kommenden Woche vor.
CBS berichtete unter Berufung auf US-Regierungsvertreter über Geheimdienstinformationen der Vereinigten Staaten, wonach der Iran einen Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern plane. Die Frage sei, ob diese von iranischem Gebiet oder eher aus dem Irak oder aus Syrien losgeschickt würden, hieß es. Die Angaben aus den Berichten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Auch die israelische Seite halte einen Angriff für unvermeidlich, berichtete CNN. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat für den Fall einer Attacke des Irans auf sein Land mit Konsequenzen gedroht. "Wir werden wissen, wie wir uns zu verteidigen haben, und wir werden nach dem einfachen Prinzip handeln: Wer immer uns schadet oder plant, uns zu schaden, dem werden wir auch schaden", sagte Netanjahu.
Angesichts der Sicherheitslage hat Israel Urlaube in allen Kampfeinheiten zeitweilig gestoppt. Israels Armee kündigte zudem die Mobilisierung von Reservisten der Raketenabwehr an. Auch störte die Armee das Positionsbestimmungssystem GPS in Israel, um "Bedrohungen zu neutralisieren". Israelische Medien werteten dies als Verweis auf die Drohungen aus dem Iran.
Die Gefahr eines militärischen Konflikts mit dem Iran überschattet die Bemühungen der USA, an diesem Wochenende in Kairo einen Durchbruch bei den ohnehin schwierigen indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln im Gaza-Krieg zu erzielen. US-Präsident Biden bat Medienberichten zufolge den Emir von Katar, Scheich Mosa Nasser Al Missned, und den ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Briefen darum, Druck auf die Hamas auszuüben, damit die Islamisten einem Abkommen zur Freilassung israelischer Geiseln zustimmen.
Auf dem Tisch liege ein Vorschlag, der eine sechswöchige Feuerpause und die Freilassung von 40 Geiseln vorsehe, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf einen ranghohen US-Beamten. CIA-Direktor Bill Burns soll demnach an diesem Wochenende in der ägyptischen Hauptstadt den Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und den ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel treffen.
Seit Wochen vermitteln die USA, Katar und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, um eine Feuerpause und einen Austausch aus Israel verschleppter Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu erreichen. Knapp 100 Entführte in der Gewalt der Hamas dürften nach israelischen Schätzungen noch am Leben sein.
Zu den Geiseln, die gemäß dem Vorschlag für ein Abkommen freigelassen werden sollen, gehörten israelische Soldatinnen und andere Frauen, Männer im Alter von über 50 Jahren sowie Männer in kritischem Gesundheitszustand, schrieb der gewöhnlich gut unterrichtete israelische Journalist Barak Ravid in seinem "Axios"-Bericht.
Im Gegenzug würde Israel rund 700 palästinensische Häftlinge freilassen, darunter etwa 100, die lebenslange Haftstrafen wegen der Ermordung von Israelis verbüßen, hieß es weiter. US-Präsident Biden hatte Israels Regierungschef Netanjahu in einem Telefonat aufgefordert, "unverzüglich" ein Abkommen zu schließen, um die Geiseln aus Gaza zurückzuholen.
Biden habe Netanjahu in dem Gespräch mit Blick auf die bevorstehende Gesprächsrunde in Kairo aufgefordert, seine Unterhändler mit einem breiteren Mandat als bisher zu entsenden, um eine Einigung zu erzielen, zitierte "Axios" den ranghohen US-Beamten. Biden habe Netanjahu klargemacht, dass alles getan werden müsse, um die Freilassung der seit sechs Monaten in Gaza festgehaltenen Geiseln zu erreichen.
Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte auf den Terrorangriff mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza kamen dabei schon mehr als 33.000 Menschen in dem abgeriegelten Küstengebiet ums Leben. Bei der unabhängig kaum zu überprüfenden Zahl wird nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden.
Eine weitere in den Gazastreifen verschleppte Geisel ist nach Angaben der israelischen Armee inzwischen tot. Der entführte Mann sei in Gefangenschaft des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) gewesen und dort getötet worden, teilte das Militär mit. Seine Leiche sei in der Nacht in der Stadt Chan Junis geborgen, nach Israel zurückgebracht und dort identifiziert worden. Die Familie wurde demnach über seinen Tod informiert. Wie genau der Mann getötet wurde, teilte das Militär nicht mit.
Israels Polizei hat indes eigenen Angaben zufolge 16 Menschen nach einem Gebet auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in Jerusalem festgenommen. Sie hätten auf der Anlage Parolen skandiert, die zum Terror aufriefen oder Terror unterstützen, teilte die Polizei mit. Sie sprach von zwei verschiedenen Vorfällen in der Nacht. Mehrere Verdächtige seien an den Toren zum Tempelberg festgenommen worden, andere in der Jerusalemer Altstadt.
Bei den Betroffenen handelt es sich den Angaben nach um Einwohner aus dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems, Menschen aus Nordisrael und einem Palästinenser aus dem Westjordanland. Berichten zufolge setzte Israels Polizei mithilfe einer Drohne auch Tränengas auf der Anlage ein.
Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen kommt es auch zwischen Israels Armee und der proiranischen Hisbollah-Miliz im benachbarten Libanon täglich zu Konfrontationen, teils mit tödlichem Ausgang. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bezeichnete den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus als "Wendepunkt".
In einer Rede sagte der Generalsekretär der Schiitenorganisation, die iranische Antwort werde unweigerlich folgen. Die Hisbollah habe keine Angst und sei auf jeglichen Krieg "bestens vorbereitet", sagte Nasrallah. Noch habe die Miliz ihre stärksten Waffen nicht angewandt. Die Hisbollah gilt als Irans wichtigster nicht-staatlicher Verbündeter in Nahost - und als weitaus schlagkräftiger als die Hamas.