
Pistorius will Deutschland tatsächlich "kriegstüchtig" machen
Darin heißt es: "Unser gemeinsames Ziel ist es, in unserem Land auch künftig in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben zu können. Die Bundeswehr ist ein Kerninstrument unserer Wehrhaftigkeit gegen militärische Bedrohungen. Hierzu muss sie in allen Bereichen kriegstüchtig sein."
So richte man das Personal der Streitkräfte und deren Ausstattung auf die Wahrnehmung ihrer fordernden Aufträge aus. Zentral sei "die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht" – und zwar "jederzeit". Nur so werde Abschreckung glaubwürdig und Frieden gewahrt. Erforderlich seien ferner eine Organisation, die "deutlich beweglicher werden" müsse, sowie "Soldatinnen und Soldaten, die den Willen haben, unter bewusster Inkaufnahme der Gefahr für Leib und Leben das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen".
Als konkrete Aufgaben benennen die Richtlinien die Verteidigung des deutschen Hoheitsgebiets, die Verteidigung gegen Angriffe auf das Hoheitsgebiet von Bündnispartnern, die Verteidigung gegen terroristische und hybride Bedrohungen sowie die Festigung der transatlantischen und europäischen Verteidigungsfähigkeit.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die sich daraus ergebende Zeitenwende veränderten die Rolle Deutschlands und der Bundeswehr "fundamental", heißt es zur Begründung. "Als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes Land in der Mitte Europas tragen wir Verantwortung. Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein."
Staat und Gesellschaft hätten die Bundeswehr jahrzehntelang vernachlässigt. Zu lange sei das Szenario eines Krieges in Europa und einer direkten Bedrohung Deutschlands für kaum vorstellbar gehalten worden. Entsprechend habe man die Bundeswehr auf weltweite Einsätze zum internationalen Krisenmanagement ausgerichtet. Für Landes- und Bündnisverteidigung notwendige und selbstverständliche Strukturen und Fähigkeiten habe man aufgegeben.
"Das müssen wir umkehren" steht in dem Text. "Wir richten die Bundeswehr wieder auf ihren Kernauftrag aus: zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung. Wir schaffen die nötigen Strukturen für eine glaubhafte Verteidigung in der Nato und für eine rasche Vollausstattung." Mit der Aufstellung einer Kampfbrigade in Litauen unterstütze die Bundeswehr außerdem die Sicherheit der Verbündeten – "so wie dies über Jahrzehnte verbündete Streitkräfte in Deutschland taten. Wir zeigen damit Führungswillen und Führungsverantwortung." Die Brigade soll 4000 Soldaten umfassen und das Nato-Mitgliedsland zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus schützen.
Pistorius sagte zur Begründung, die ersten verteidigungspolitischen Richtlinien seit 2011, die das Weißbuch von 2016 ersetzen sollen, seien eine Antwort auf die neue Realität. "Sie sind unser Instrument für ambitionierte, glaubhafte und realistische Planungen, damit Landes- und Bündnisverteidigung handlungsleitend und strukturbestimmend werden. Mit der Zeitenwende wird Deutschland sicherheitspolitisch erwachsen." Generalinspekteur Carsten Breuer erklärte: "Deutschland und seine Verbündeten müssen sich wieder mit einer militärischen Bedrohung durch einen ebenbürtigen Gegner auseinandersetzen. Die verteidigungspolitischen Richtlinien bilden das Fundament für unsere künftigen militärischen Fähigkeiten."
Der Minister hatte erst kürzlich in einem Interview mit dem ZDF erklärt, dass Deutschland kriegstüchtig werden müsse – nicht zuletzt, um die Deutschen wachzurütteln. Das hatte zu Lob, aber auch zu Kritik geführt. Mit den insgesamt 34 Seiten umfassenden verteidigungspolitischen Richtlinien bekräftigt er diesen Anspruch.