
Regierungsbefragung: Olaf Scholz stellt sich den Fragen der Abgeordneten im Bundestag
Trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Etat 2021 hält die Ampel-Koalition am Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 fest. "Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin. Die so genannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bleibe für diesen Donnerstag terminiert, der Haushalt werde dann planungsgemäß zur Abstimmung gestellt.
Klar sei auch, dass das Urteil Auswirkungen auf den Klima- und Transformationsfonds haben werde. "60 Milliarden Euro an Zuflüssen aus dem Jahr 2021 stehen nun ja nicht mehr zur Verfügung." Scholz betonte: "Die Bundesregierung wird dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau beachten." Das Urteil, die umfangreiche Begründung und die Folgen würden nun gemeinsam mit dem Bundestag genau ausgewertet. Das Urteil habe möglicherweise Auswirkungen auf die Haushaltspraxis nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, sagte der Kanzler. "Insofern gebietet sich eine so sorgfältige Betrachtung auch."
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor eine Umschichtung von 60 Milliarden Euro im Haushalt von 2021 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Der Bund darf zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachte Gelder damit nicht für den Klimaschutz nutzen. Das könnte sich stark auf den sogenannten Klima- und Transformationsfonds auswirken, aus dem die Bundesregierung zahlreiche Förderprogramme – unter anderem für den Austausch alter Öl- und Gasheizungen – bezahlen wollte.
Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Haushalt legt die Bundesregierung Vorhaben vorübergehend auf Eis, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollten. Das gelte für Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre - mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch in Berlin. "Wir werden umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den Klima-und Transformationsfonds für die Jahre 2024 fortfolgend aufzustellen."
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, alle zugesagten Verpflichtungen würden eingehalten. Er nannte zudem Beispiele für Vorhaben aus dem Klima- und Transformationsfonds: die Übernahme der Ökoenergie-Umlage und damit die Senkung der Stromkosten für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die Förderung von Gebäudesanierung durch neue Fenster, Türen und Dämmung, die Förderung von E-Mobilität inklusive der Ladesäulen-Infrastruktur, Unterstützung von Geothermie-Projekten und Ausbau von Fernwärme.
Das Urteil kann laut Lindner weitgehende Auswirkungen auf die Haushaltspolitik von Bund und allen Ländern haben. Daher werde es eingehend geprüft, sagte er. Nun fehlt das Geld für Klimaschutzprojekte und für die milliardenschwere Förderung von neuen Chipfabriken, was ebenfalls aus dem KTF bezahlt wird. Konkret: Der KTF soll 2024 rund 58 Milliarden Euro ausgeben. Davon stammen 28 Milliarden Euro aus Einnahmen aus dem Emissionshandel, 30 Milliarden aus der 60-Milliarden-Rücklage. 2025 sollen weitere 27 Milliarden Euro aus der Rücklage genutzt werden. 2026 soll sie restlos aufgebraucht werden.
Die nach einer Rückabwicklung der Umwidmung fehlenden 60 Milliarden Euro lassen sich nicht ohne weiteres als neue Schulden über den Kernhaushalt aufnehmen. Das lässt die Schuldenbremse nicht zu. Die Ampel müsste den Betrag entweder einsparen, was nur durch massive Kürzungen auch bei Sozialleistungen möglich wäre. Oder sie könnte erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse ziehen, die eine höhere Verschuldung in "außergewöhnlichen Notsituationen" erlaubt. Ein erneutes Überschreiten der Schuldenbremse will Finanzminister Christian Lindner (FDP) jedoch unbedingt vermeiden.
Zuvor hatte der Bundesrechnungshof den von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten Nachtragshaushalt für "verfassungsrechtlich zweifelhaft" gehalten. Der Zusammenhang zwischen der 60-Milliarden-Euro-Zuweisung an den Energie- und Klimafonds und der Bekämpfung der Corona-Pandemie werde "nicht schlüssig erläutert", heißt es in einer vom Bundestag veröffentlichten Stellungnahme des Rechnungshofs für den Haushaltsausschuss.
Der Rechnungshof hatte unter anderem kritisiert, der Klimawandel sei keine akute, plötzlich auftretende Krise, sondern eine dauerhafte Herausforderung, die man mit normalen Haushaltsregeln bewältigen müsse. Die Nutzung von Notlagenkrediten könne nur ein letztes Mittel sein, nachdem alle Rücklagen ausgeschöpft wurden. Lindner war die Umschichtung unter anderem deswegen wichtig, weil er versprochen hat, ab 2023 die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Diese erlaubt nur geringe neue Kredite. Zugleich hat sich die neue Bundesregierung aber hohe Investitionen unter anderem in den Klimaschutz vorgenommen.
Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) betonte, die Verfassungsklage richte sich ausdrücklich nicht dagegen, für den Klimaschutz mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Das Vorgehen der Ampelkoalition sei jedoch eine verfassungswidrige Umgehung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von Haushaltsakrobatik.